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Oktober – Herbst!

Ich sage: Endlich! Denn ich liebe den Herbst und den Oktober. Ich verbinde damit viele schöne Erinnerungen. Auch wenn der Sommerurlaub lange vorbei ist und der Herbstferienurlaub noch ein kleines Stück vor mir liegt – ich bin glücklich.

Glücklich bin ich auch über eine Begegnung, die ich, im Sommerurlaub hatte. Ich war an einem meiner Lieblingsorte. Ich besuchte „Homeless Jesus“ in Vancouver, Kanada. 2013 installierte Timothy Schmalz in Toronto die erste der mittlerweile über 50 Statuen weltweit. Mitten im Großstadtgewimmel gibt es in Vanvouver die weiße Rosenkranzkathedrale und vor ihr, ganz unscheinbar eine Bronzestatue, die Jesus als schlafende Person auf einer Parkbank abbildet. Sein Gesicht und seine Hände sind unter einer Decke versteckt, lediglich die Wundmale an seinen Füßen verraten etwas über seine Identität. Die Statue wird als visuelle Übersetzung der Passage aus dem Matthäusevangelium beschrieben, in der Jesus seinen Jüngern sagt: „ Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Die Skulptur provoziert, fordert heraus – und das ist gut so. Denn in Vancouver befindet sie sich mitten in Downtown zwischen den Wolkenkratzern der Reichen, die achtlos an ihr vorbeigehen. Denke ich.

Der obdachlose Jesus wurde von dem kanadischen Künstler und gläubigen Katholik Timothy Schmalz entworfen, der eben genau in so einer Gegend einen Obdachlosen auf einer Parkbank schlafen sah. 2013 besuchte Schmalz Papst Franziskus im Vatikan um ihm eine Miniversion zu präsentieren. Er erinnert sich an die Reaktion des Papstes: „Er ging zu der Skulptur hinüber und war erschüttert. Er berührte das Knie der Skulptur und betete. Es war, als ob er das auf der ganzen Welt tut.“

Ein Homeless Jesus kostet zwischen 22.000 und 40.000 Euro. Das ist der Bronzewert der Statue. Nicht der Wert der Ausgegrenzten, die stellvertretend abgebildet werden. Papst Franziskus wendet sich den Ausgegrenzten zu. Homeless Jesus fordert das von mir, wenn ich ihn betrachte. Ich nehme es wahr, ich erkenne es und doch tu ich es nicht. Es fällt mir nicht schwer im Berliner Großstadtgewimmel Ausgegrenzte zu finden, aber es fällt mir wohl schwer zu ihnen zu gehen und ihnen, wie Jesus es mir zeigt, zu begegnen.

Obdachlosigkeit ist kein unbekanntes Thema und sicherlich auch überhaupt nicht unsichtbar. In Berlin leben schätzungsweise 6.000 bis 10.000 Menschen auf der Straße. Verschiedenste Hilfeeinrichtungen sind meist ihr einziges Zuhause. Auch wenn wir sie nicht wie in Jesaja vorgeschlagen in unser Haus einladen können oder wollen, dürfen wir ihnen Jesus vorstellen. Unsere Kirchen geben unseren Seelen einen Raum und somit ein Dach über dem Kopf. Wir brauchen Orte um der Alltagshektik zu entfliehen und in die Stille und das Gebet einzutreten. Wir kommen unserem Leben in der Nachfolge Jesu auf die Spur und spüren, wie Gott und Jesus selbst uns helfen Orientierung, Trost und Ermutigung zu finden. So wie ‚mein‘ Homeless Jesus in Vancouver. Dreimal habe ich ihn nun schon besucht und stets mit ihm das Gespräch gesucht und ihn gebeten mich nicht zu übersehen. Das tut er nicht, das merke ich oft später, wenn wir zusammenkommen als Familie Gottes, als Gemeinde, als Pfarrei und als Du und Ich. Denn wir brauchen einander um der Achtlosigkeit und Ausgegrenzheit unserer Welt zu begegnen. Als Menschen gelingt es uns mal besser und mal schlechter. Ich bin aber überzeugt, Jesus kann es und er tut es. Die Augen von „Homeless Jesus“ sind von einer Decke verdeckt und doch sieht er mich an, ganz liebevoll und er nimmt mich an, so wie ich gerade mit all meiner Furcht und Schuld vor ihm stehe. Er kann nicht das Leid aller Ausgegrenzten, die ich übersehe, wegnehmen, aber er steht zu ihnen, auch dann wenn ich es eben nicht mache. Ich erhoffe mir für die bevorstehende Zeit, dass meine Augen und mein Herz offen für jede Begegnung sind. Das ich ein Ort sein kann, der Hoffnung und Ermutigung großzügig verschenkt.

Ich wünsche uns für den kommenden Herbst, dass wir mit Jesus gehen und er uns fordert unseren Blick für die Menschen in Not zu weiten.

Herzliche Grüße 
Ihre Anja Schmidt
(Gemeindereferentin)