Johannesbote
Frank R. Felgner
Pfarrvikar
Ja zu meinen Umwegen
Liebe Gemeinde,
während ich diese Zeilen in meinen Laptop tippe, sehe ich in unserem Garten auf die goldgelben, orangenen und weinroten Blätter an den Bäumen und des wilden Weines, die jetzt noch von der Herbstsonne durchleuchtet werden. Ein wunderbarer Anblick, der beim Erscheinen des Pfarrbriefes wohl schon längst verblasst sein wird, weil der November seinen grauen Schleier der Vergänglichkeit ausgebreitet hat. Vielleicht ist gerade der Herbst die Jahreszeit, in der uns die Endlichkeit alles Irdischen bewusst wird, und trotzdem ist der Herbst auch die Zeit der Ernte. Zum einen der Erträge von Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten oder der Felder, die abgeerntet sind, aber auch unserer persönlichen Erfolge oder Verluste, manches Verpasste oder Erreichte.
In einem Buch beschreibt mein ehemaliger Spiritual, P. Hans Schaller SJ, den ich im Germanicum in Rom erleben durfte, wie es möglich wird, ja zu meinen Umwegen zu sagen. So lautet auch der Buchtitel: „Ja zu meinen Umwegen“. Einige Überschriften darin sind: Wenn das Ja-Sagen schwer wird; Die Gnade der leeren Hände; Die Angst, Fehler zu machen; Vielfalt der Wege Gottes; Der Ausweg beginnt in dir.
Wir alle kennen den Spruch, dass Gott auf krummen Zeilen gerade schreibt. Auch unser Leben verläuft nicht immer geradlinig und dennoch dürfen wir darauf vertrauen, dass unser Tun und Lassen mit unserem Glauben an Gott bei allen Irrungen und Wirrungen des Lebens getragen wird und uns Halt und Zuversicht geben kann. Wo unser Bewusstsein, unsere Gedanken geprägt werden von einem bestehenden Angebot des Neuanfangs und der Nähe Gottes, da werden wir befähigt sein, unter dem Gekräusel auf der Oberfläche des Alltags eine Tiefe zu sehen, die uns ein Wissen ermöglicht, von Gott geführt zu sein; denn wir werden den Weg geleitet, den wir wählen. Gott akzeptiert menschliche Entscheidungen, auch wenn sie vielleicht nicht immer logisch oder vernünftig sind. Er führt uns mit unendlicher Liebe. Selbst der heilige Augustinus, dessen Biographie einige Frakturen auf seinem Lebensweg aufweist, kann nicht anders, als seine Umwege zu preisen und sagt: „Werft eure Sünden unter eure Füße und sie werden euch zum Himmel tragen.“
In einigen Wochen werden wir es wieder feiern, dass Gott uns liebend anblickt in den Augen seines Sohnes, der alle menschliche Last übernommen hat, und so dürfen wir Gott vertrauen, dass er sich um unser aller Leben sorgt, dass er uns immer wieder ein Angebot zum Leben macht, eine Chance, neu zu beginnen. Wo wir anfangen, betend und glaubend unsere gegangenen Wege zu betrachten, da kann eine Ahnung in uns aufsteigen von jenen geheimnisvollen Wegen Gottes, auf denen er für unser Leben etwas möglich macht, das uns bisher unerreichbar schien. Er hält die scheinbar verlorenen Partikel unserer schlecht genutzten Zeit in seinen Händen und bringt sie in eine Form, die weit über das hinaus geht, was wir je erträumt haben. Darum können wir getrost in die Zukunft schauen, auch wenn die Tage kürzer und die Abende länger werden; denn der Anfang ohne Anfang, das Wort, in dem alles Leben ist, ist ein Mensch geworden, und wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt (Röm 8,28).
In herzlicher Verbundenheit grüßt Sie
Pfr. Frank R. Felgner