Kirchenrundgang Maria Frieden - Teil 6
Die Marienkapelle
Die Marienkapelle
Apropos Aluminium, weiter geht es mit unserem Rundgang. Dazu lösen wir unseren Blick von der Altarinsel und dem beeindruckenden Fensterbild, gehen am Ambo vorbei und betreten (Vorsicht Stufe) die Marienkapelle. Ins Auge fällt sofort der nächste Kunstgegenstand aus Aluminium, die Opferkerzenhalterung mit Abzug aus Aluminiumguss, ebenfalls gestaltet vom Künstler Paul Brandenburg (Abb. 1). Die Auftragserteilung in Höhe von 13.122,48 DM vom 14.02.1991 (Abb. 2) beinhaltet zusätzlich den Auftrag für die Verblendung und Konsole des Wallfahrtsbildes „Maria vor Stacheldraht und Trümmern“! Diese Verblendung (Abb. 2a - Archivbild vom Nov. 2013) fiel leider der Restaurierung des Bildes und einer auf den neuesten Stand einzurichtenden klimatisierten Vitrine mit Alarmanlage (2016/2017) zum Opfer.
Rechts neben der Opferkerzenanlage und den sich anschließenden 3 kleinen Fenstern (Abb. 3) befindet sich die Tür zum Treppenhaus, mit Ausgang zum Parkplatz und zur Unterkirche. Diese Tür (Abb. 4), wieder ein Auftragswerk nach einem Entwurf von Paul Brandenburg vom Juli 1989 (Abb. 5), ist eine gelungene Kombination der Zusammenarbeit zweier Künstler die schon etliche Werke in Deutschland zusammen gestaltet haben, dem Bildhauer Paul Brandenburg und dem Glasmaler Prof. Johannes Beeck (1927 - 2010). Beeck greift für die Gestaltung der Tür die Formen und Farben der kleinen Fenster und des Aluminiumtürgriffs auf. (s.a. Das künstlerische Werk von Johannes Beeck Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn vorgelegt von Nicole Alexandra Leyk aus Münster Bonn 2012 Seite 185 (Abb. 6) und 186 (Abb. 7). Der von Paul Brandenburg gestalteteTürgriff stellt das „Dankopfer Mose nach der Sintflut“ (Abb. 8) dar.
Doch nun zu dem Hauptanziehungspunkt der Marienkapelle in der Pfarrkirche Maria Frieden. Gegenüber der Glastür von Prof. Beeck befindet sich das Bild „Madonna vor Stacheldraht und Trümmern“ (Abb. 9)
Die folgenden Textabschnitte sind der Schrift „Unsere Liebe Frau mit dem Stacheldraht“ – Zur Entstehung einer Wallfahrt in Berlin (West) – von Heidemarie Schade entnommen:
Otto Dix hat das Bild als Kriegsgefangener in einem Lager bei Colmar gemalt. Nachdem er im Februar 1945 zum Volkssturm eingezogen war, geriet er kurz darauf im Elsaß in französische Gefangenschaft. Von einem französischem Offizier wurde er als der berühmte Maler Otto Dix erkannt. Im Lager erhielt er u.a. den Auftrag, für die Lagerkapelle ein Triptychon zu malen, das er im Atelier des Elsässer Malers Roben Gall ausführen konnte. Dieses Triptychon fand jedoch einen Liebhaber und Dix wiederholte das Bild, das nun aus französischem Privatbesitz in die Auktion bei Lempertz gelangte.
Im Mittelteil des Triptychons sitzt Maria in schlichtem rosafarbenen Gewand und weitem blauen Mantel und schaut wehmütig auf das Kind in ihrem Schoß, das sie mit ihren Händen umfängt. Das Kind blickt den Betrachter ernst an, in der linken Hand hält es eine bläulich schimmernde Kristallkugel, die rechte Hand grüßend erhoben. Den Hintergrund bildet eine vom Krieg gezeichnete Landschaft. Vor einem fernen Gebirgszug erkennt man ein zerstörtes Dorf, davor - das Lager symbolisierend - einen Stacheldrahtzaun, nur die Kirche schein unzerstört.
„Die Kirche (…) ist die von Logelbach. Die zwei Bergkuppeln sind Großer und Kleiner Hohneck (Erklärung der Landschaft des Dixbildes durch den aus dem Elsaß stammenden Redemptoristenpaters Gerard Karm anlässlich der Wallfahrt nach Maria Frieden am 5.1.1989)
Auf den Seitenflügeln knien Paulus und Petrus zur Rechten und Linken der Muttergottes, dieser zugewandt. Sie sind bekleidet mit dem Mantelpallium, als Apostel dargestellt. Beide sind in Ketten, Paulus hebt klagend die gefesselten Hände zum Himmel, zu seinen Füßen schaut eine unübersehbare Menschenmenge - die Lagerinsassen - zu ihm auf. Petrus - an den Füßen angekettet die Hände wie abwehrend erhoben - blickt auf eine am Himmel erscheinende Engelsgestalt.
Otto Dix’ Marienbild, das künftige Wallfahrtsbild für Berlin, spiegelt die Kriegserfahrungen des Künstlers aus zwei Weltkriegen wider und symbolisiert seine Friedenssehnsucht. Es zeigt eine Maria mit dem Stacheldraht und keine Madonna im Rosenhag und daher soll es „Unsere Liebe Frau von Berlin“ werden, so Kardinal Meisner damals 1988. Dem Wunsch des Kardinals nach einem Wallfahrtsbild für Maria Frieden kam seinerzeit ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Das Kunsthaus Lempertz in Köln zeigte für seine 626. Auktion im November 1987 unter der Nummer 205 das von Otto Dix (1891-1969) in Kriegsgefangenschaft 1945 gemalte Triptychon „Maria vor Stacheldraht und Trümmern mit Paulus und Petrus“ an. Wurde zunächst in der Presse gemeldet, dass ein unbekannter Berliner, der weiterhin anonym bleiben wollte, das Bild erworben hätte, um es der katholischen Kirche in Berlins stiften, so stellte sich bald heraus, dass es auf persönliche Bitte von Kardinal Meisner durch einen Beauftragten des Berliner Senators für Kulturelle Angelegenheiten aus Mitteln der Deutschen Klassenlotterie Berlin ersteigert worden war und seinen Platz künftig in der Kirche „Maria Frieden“ haben sollte….,
soweit der Auszug aus der Schrift von Heidemarie Schade!. Den kompletten Text und weitere Informationen finden Sie hier!
Noch eine kurze Anmerkung zum Randgeschehen um die Marienverehrung in der katholischen Gemeinde Berlin Mariendorf. Als Kardinal Meisner der Gemeinde Maria Frieden das neue Wallfahrtsbild zur Verfügung stellte, gab es zunächst Unmut in der Gemeinde, weil die in der Kapelle angebrachte Eisenmadonna (Abb. 10) von Werner Gailis (1925-1993) weichen und zum Hl. Antonius (Abb. 11), ebenfalls geschaffen von Werner Gailis, in den Bereich unter der Orgelempore umziehen musste.
Aber, die Liebe der Gemeinde zu dem Kunstwerk von Otto Dix wuchs mit jeder Monatswallfahrt von Jahr zu Jahr. Aus dieser Tatsache ist im Nachhinein zu verstehen, dass die Ankündigung einer mehrmonatigen Reise des Wallfahrtsbildes von Ende 2016 bis Anfang 2017 zur Ausstellung „Otto Dix - Isenheimer Altar“ im Museum Unterlinden ins Elsässische Colmar erneut Empörung auslöste.
Man befürchtete, die „Berliner Madonna“, übrigens eine Leihgabe des Berliner Senats, käme nicht mehr an ihren angestammten Platz in die Wallfahrtskirche Maria Frieden zurück. Nichts dergleichen geschah. Anfang 2017 kam eine frisch restaurierte „Madonna vor Stacheldraht und Trümmer“ nach Berlin zurück. Zwar nicht mehr in die von Paul Brandenburg geschaffene, sondern in eine neue, den technischen Erfordernissen entsprechende Ausstellungsvitrine in der Marienkapelle der Pfarrkirche von Maria Frieden. Und hier kann das Bild jederzeit wenn die Kirche geöffnet ist besichtigt werden.
Vielleicht ist ja auch der Besuch einer Monatswallfahrt, die an an jedem 1. Donnerstag im Monat ab 17.00 Uhr stattfindet, eine gute Möglichkeit das Kunstwerk von Otto Dix in Augenschein zu nehmen (Abb. 12).