Visitationen

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# Salvator Hineingeschaut

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In dieser Woche findet in unserer Pfarrei zum ersten Mal eine Visitation durch unseren Erzbischof statt. Wie sie abläuft und über die Hintergründe hat Matthias Wölki im Johannesboten ausführlich informiert.

Wie war das aber eigentlich in den Anfängen, fragte ich mich: Hatte ich nicht im Archiv der Salvator-Gemeinde die Namen verschiedener Dekane gelesen? Zum Beispiel im Inventarbuch „Beyer, Erzpriester“ oder später „Lausch“… vom Bischof war doch nur im Zusammenhang mit Firmungen oder dem Jubiläum des Kinderkrankenhauses die Rede?

Ein Blick auf die Geschichte der Visitation bringt Aufklärung. Schon Mitte des 4. Jahrhunderts besuchten nachweislich die Bischöfe ihre Gemeinden. Sie wollten wissen, was in ihren Landgemeinden vorgeht, ggf. Mängel feststellen und beheben. Diese Besuche wurden bald obligatorisch und im 12. Jahrhundert gab es dann kirchliche Gesetzestexte, die den Ablauf reglementierten. In Deutschland begannen sich allerdings Visitationen erst zur Zeit der Reformation durchzusetzen. Mit den Reformen des Tridentinums (Konzil von Trient, 1545 – 1563), die den Bischöfen regelmäßige Visitationen zur Pflicht machten, setzten sich die Besuche dann im 17. Jahrhundert endgültig durch. Waren sie zunächst noch besonders Kontrollinstrument über die Amts- und Lebensführung des Klerus, legte man später mehr Augenmerk auf die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den Gemeinden vor Ort und die Ausstattung der Kirchen. Ab dem 18. Jahrhundert stehen die statistische Erfassung der Personen und Kirchenausstattung im Vordergrund. Im CIC (Codex Iuris Canonici) wurde eine Visitationspflicht – mindestens alle 5 Jahre – verankert (Can. 396 - 398). Sie soll dem Aufbau der Gemeinden dienen. Der Bischof kann einen Vertreter mit der Visitation beauftragen. Das kam mit Bildung der Dekanate zum Zuge: nun waren die Dekane (auch Dechant, Erzpriester, Archipresbyter) als Vertreter des jeweiligen Ortsbischofs auch für die Visitationen verantwortlich.

Im Bistum – damals noch Delegaturbezirk und Teil des Bistums Breslau – wurden zuerst 1862 Archipresbyterate eingerichtet, uns heute geläufiger unter dem Ausdruck Dekanat. In Berlin gab es 1899 zwei davon, 1924 fand eine Umbildung auf sieben statt: Berlin West, Berlin Ost, Charlottenburg, Neukölln, Oberschöneweide, Steglitz, Reinickendorf. Bis Ende 1937 blieb diese Anzahl bestehen und Tempelhof gehörte damals ins Dekanat Steglitz. Dekan war Maximilian Beyer (1872 – 1937, seit 1924 Dekan, Pfarrer von Heilige Familie in Lichterfelde), sein Vertreter Msgr. Grabe. 1937 kam es dann zu einer weiteren Aufteilung, drei Dekanate kamen hinzu: Spandau, Weißensee und Tempelhof. Zu letzterem zählten nun die Gemeinden in Lankwitz, Lichtenrade, Blankenfelde, Mariendorf und Marienfelde, Schöneberg, Tempelhof und Zossen (mit Alexanderdorf). Erzpriester wurde nach dem Tod von Msgr. Beyer zunächst Pfarrer Franz Nafe (1879 – 1942) von Mater Dolorosa, dann dessen bisheriger Vertreter Pfarrer Paul Lausch (1884 – 1956) von Herz Jesu Tempelhof.

Die bei einer Visitation entstehenden Unterlagen bilden eine wertvolle Quelle für die Gemeinde. Da bestimmte Fragen vorgegeben waren (Größe der Gemeinde, Anzahl der Priester, Einrichtungen, Gruppen und Vereine, Ausstattung der Kirche, Finanzen, Besuch der Gottesdienste, etc.), ergeben sich daraus heute – so sicherlich nicht nur in Lichtenrade – wichtige Anhaltspunkte etwa zur Gestaltung des Gemeindelebens oder über das Vorhandensein bestimmter Ausstattungs- und Kunstgegenstände in der Kirche. Oft sind diese Berichte einzige Quelle, wenn eine Chronik nicht oder erst nachträglich erstellt wurde.

Unsere ältesten Hinweise auf eine Visitation sind im Inventarbuch zu finden. Demzufolge war Msgr. Beyer am 20. November 1936 in Salvator und bescheinigte die Richtigkeit der Eintragungen im Inventarbuch.

Maxilian Beyer wurde 1872 in Greiffenberg (heute Gryfów Śląski), Niederschlesien, geboren. 1896 in Breslau zum Priester geweiht, war er nach seinen Kaplansjahren ab Juli 1899 Kuratus in Lichterfelde und wurde 1904 Pfarrer der Kirche Heilige Familie, von wo aus er Mater Dolorosa und St. Annen gründete, sowie eine provisorische Kirche in Teltow erbaute. Unermüdlich sammelte er Spenden für den Bau der Kirchen. 1928 gehörte er zu den ersten Vorstandsmitgliedern der „Katholischen Aktion“ (Leiter: Dr. Erich Klausener) im Bistum. Als Dekan fiel ihm nicht nur die Aufgabe der Visitation der Gemeinden zu, er hielt auch beim Requiem für Msgr. Grabe (1. Oktober 1935), der viele Jahre sein Vertreter als Erzpriester war, in St. Elisabeth eine bewegende Ansprache, die zusammen mit einem Nachruf des jungen Kaplans, der in Lichtenrade bald Kuratus und dann Pfarrer der Salvator-Gemeinde werden sollte, Wilhelm Lütkehaus, im Schlesischen Bonifatiusvereins-Blatt (Breslau, Jg. 76, Nr. 11: 1. November 1935, S. 333 – 335, Nachrufe in der Schlesischen Digitalen Bibliothek frei zugänglich) abgedruckt wurde.

Unsere ersten ausführlichen Visitationsberichte datieren (abgesehen von 1936) dann von Ende 1937 nach Gründung der Kuratie. Wie auch die Protokolle der Kirchenvorstandssitzungen konnten sie erst hier aufbewahrt werden, als Salvator 1937 selbständig geworden war.

Dekane von Tempelhof waren übrigens auch die Lichtenrader Pfarrer Wilhelm Lütkehaus (1957 – 1980), Klaus Glowienke (1980 – 1986), Dr. Klaus Kliesch (1989 – 1992) und Pfarrer Rainer Lau (2006 – 2017). Zu diesen Zeiten konnte natürlich unsere Gemeinde nicht vom „eigenen“ Pfarrer visitiert werden, die Visitation fiel also, wie jetzt nach Auflösung der Dekanate auch, an den Bischof bzw. einen von ihm bestimmten Vertreter aus dem Ordinariat zurück.

Mit allen guten Wünschen für ein segensreiches 2023,
bis zum nächsten „Hineingeschaut“,

Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin

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